Marktkommentar Anleihen: Der Beginn des Zinssenkungszyklus

Im September 2024 hat die Fed ihren Zinssenkungszyklus begonnen. Zinsen fielen auf breiter Front, und die Preise für Risiko-Assets stiegen. Während die Fed einen schmalen Grat zwischen Unterstützung der Konjunktur und Vermeidung eines Wiederaufflammens der Inflation beschreitet, hat die aktuelle Politik kurzfristig Euphorie ausgelöst, wie Dr. Harald Henke in seinem Marktkommentar schildert.

Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Strategy

Die US-Zentralbank hat mit Zinssenkungen begonnen, …

Nachdem die Bank of England, die EZB und die Bank of Canada bereits ihren Zinssenkungszyklus begonnen hatten, zog im dritten Quartal 2024 auch die Federal Reserve nach. In einem lange antizipierten und höher als erwartet ausgefallenen Zinsschritt senkte die Notenbank die US-Zinsen um volle 50 Basispunkte auf eine Obergrenze von 5,0 % nach 5,5 % in den Monaten zuvor. Ein weiterer Schritt um 50 Basispunkte nach unten gilt als sehr wahrscheinlich.

Gleichzeitig veröffentlichte die Fed auch die Erwartungen ihrer Board-Mitglieder im Hinblick auf den weiteren Zinspfad. Diese im Dreimonats-Rhythmus veröffentlichten und als „Dot Plots“ bekannten Einschätzungen signalisierten massive Änderungen auf Seiten der Zentralbank hinsichtlich der bevorstehenden Zinspolitik.

Abbildung 1: Einschätzung der Fed-Mitglieder zum künftigen Zinspfad (Median)
Implizite Obergrenze des Zinskorridors abgeleitet aus den Fed-Einschätzungen. Quelle: Federal Reserve, Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management GmbH

Wie aus der Grafik hervorgeht, hat die Fed im Schnitt ihre Erwartungen für die Zinsen Ende 2024 und Ende 2025 innerhalb eines Quartals um 75 Basispunkte, also drei zusätzliche Zinsschritte, nach unten gesenkt. Statt bei 5,25 % werden die Zinsen jetzt Ende 2024 bei 4,5 % erwartet, für 2025 bei 3,5 % anstatt 4,25 %.

Diese massive Änderung hat auch Spuren an den Zinsmärkten hinterlassen. So fielen die Zinsen auf Staatsanleihen auf beiden Seiten des Atlantiks spürbar.

Abbildung 2: Zinsentwicklung in den USA und Deutschland
Quelle: Bloomberg L.P.

In den USA fiel die zweijährige Rendite um 1,2 Prozentpunkte auf 3,5 %, während sie in Deutschland um 70 Basispunkte auf 2,1 % fiel. Auch die zehnjährigen Zinsen fielen, allerdings nicht ganz so stark wie das kurze Ende der Kurve. Durch die Outperformance der kurzfristigen Zinsen ist die Zinsstrukturkurve sowohl in Deutschland als auch den USA nicht mehr invers – eine Änderung, die oft mit dem Start einer Rezession in Verbindung gebracht wird.

… weil die Konjunktur Schwächen zeigt

Eine Abschwächung der Konjunktur ist inzwischen auch in den USA sichtbar. Der US-Arbeitsmarkt zeigt nicht mehr die Stärke, die er zuvor an den Tag gelegt hat – wobei diese Stärke teilweise überzeichnet war. So fielen in diesem Jahr mehr als 800.000 Stellen der Datenrevision zum Opfer. Diese Stellen waren angeblich geschaffen worden, stellten sich aber später als nicht existent heraus. Etwas Ähnliches hatte die Philadelphia Fed bereits im März angedeutet.

Während der Arbeitsmarkt tendenziell ein nachlaufender Indikator für die Konjunktur ist, zeigen sich auch vorlaufende Indikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) des verarbeitenden Gewerbes schwach. Während die Zahlen für Deutschland tief im rezessiven Bereich verharren, ist auch die US-Zahl inzwischen deutlich unter die Expansionsschwelle von 50 gefallen.

Abbildung 3: US-Einkaufsmanagerindex und wichtige Komponenten
Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management GmbH

Der PMI des verarbeitenden Gewerbes in den USA ist auf ein Level um die 47 und damit signifikant unter die 50-Punkte-Marke gerutscht. Darüber hinaus ist das Verhältnis aus neuen Aufträgen zu Beständen, das als vorlaufender Indikator für die PMIs gilt, im September scharf eingebrochen, was auf einen weiteren Rückgang der PMIs in den nächsten Monaten schließen lässt. Insgesamt ist das Konjunkturbild in den USA weitaus weniger freundlich als zuvor, was einer der ausschlaggebenden Gründe für die Zinssenkung der Zentralbank war.

Die Märkte reagieren euphorisch

Weil die Zinsen deutlich gesenkt wurden und weitere Senkungen bevorstehen, das Konjunkturbild aber weiterhin die Hoffnung auf eine moderate Abkühlung offenließ, legten Risiko-Assets eine Rallye hin.

Abbildung 4: Credit-Spreads in Euro IG und Global IG
Quelle: Bloomberg L.P.

Nachdem die Credit-Spreads in Q2 einen Boden erreicht hatten und politische Ereignisse wie die Wahlen in Frankreich zu temporären Spread-Anstiegen geführt hatten, setzte mit dem Beginn der Zinssenkungen in den USA eine Euphorie ein, die zu einer Wiederaufnahme der Spreadrallye führte. Insbesondere im USD-IG-Bereich hat sich der Markt wieder an die Jahrestiefs angenähert. Die Euphorie wurde zusätzlich angetrieben durch ein umfangreiches Stimulus-Programm der chinesischen Regierung für die heimische Wirtschaft.

Auch Rohstoffe reagierten mit Preissprüngen. Der Bloomberg Commodity Index stieg im Zuge der geldpolitischen Lockerungen in den letzten drei Septemberwochen um 7,5 %, während insbesondere der Goldpreis von einem Allzeithoch zum nächsten eilt.

Abbildung 5: Gold auf Allzeithoch
Quelle: Bloomberg L.P.

Die jüngsten Steigerungen im Goldpreis sind auf eine Mischung aus Hedging geopolitischer Risiken, Ausweich-Investments aufgrund Sanktionen und Hedges gegen ein Wiederaufflammen der Inflation zurückzuführen.

Was ist für Q4/2024 zu erwarten?

Die Zentralbanken haben einen Drahtseilakt zu meistern. Einerseits versuchen sie, das Abkühlen der Konjunktur mit Zinssenkungen zu verlangsamen, andererseits droht bei zu aggressivem Vorgehen ein Wiederaufflammen der Inflation. Entsprechend nutzen Marktteilnehmer sowohl den Bondmarkt als auch Inflations-Hedges wie Gold, um sich gegen alle Eventualitäten abzusichern.

Solange die Konjunktur sich aber nicht weiter abschwächt, dürfte der stimulierende Impuls deutlich niedrigerer Zinsen aber dominieren und Risiko-Assets weiterhin unterstützen. Wie schon in den letzten beiden Jahren könnte uns ein sehr freundliches viertes Quartal, eventuell sogar eine Jahresend-Rallye bevorstehen.


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