Warum sind EUR Credit-Spreads seit 2022 höher als USD Credit-Spreads?

Euro Credit-Spreads waren historisch – mit Ausnahme der Zeit der Euro-Schuldenkrise – niedriger als die Spreads von USD IG Credits. Dies hat sich seit Q1 2022 geändert. Dr. Harald Henke, Head of Fixed Income Strategy, erklärt diese Abkehr bisheriger Trends und geht der Frage nach, welche Faktoren für diese Diskrepanz verantwortlich sein könnten.

Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Strategy

USD und Euro IG-Indizes sind die größten und am meisten beachteten Indizes im Bereich der Unternehmensanleihen. Entsprechende Aufmerksamkeit legen Investoren auch auf das Spread-Niveau dieser Indizes. Die folgende Grafik zeigt den Verlauf der Index-Spreads beider Indizes seit 2001.

Abbildung 1: Euro und USD IG-Spreads über die Zeit
Quelle: Bloomberg L.P.

Wie ersichtlich, waren Euro IG-Spreads über den Großteil des Jahrhunderts niedriger als ihre USD IG-Pendants. Dies ergibt auch Sinn, da USD-Indizes eine höhere Duration und damit ein höheres Risiko haben als Euro IG-Indizes. Ausnahmen waren lediglich die Euro-Schuldenkrise von 2010- 2012 und die letzten beiden Jahre, als Euro-Spreads deutlich über denen in USD lagen. Während der Euro-Schuldenkrise war täglich von Staatspleiten, Wiedereinführung nationaler Währungen und dem Ende des Euro die Rede, was eine europäische Risikoprämie plausibel erscheinen ließ. Es stellt sich allerdings die Frage, warum das Spread-Niveau für Euro-Anleihen über die letzten beiden Jahre so viel höher war als das von USD-Anleihen.

Die Spread-Differenz zwischen beiden Indizes für die letzten zehn Jahre ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Spread-Differenz zwischen Euro IG und USD IG-Credits

Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management GmbH

Während die Spread-Differenz für den Großteil der Zeit bei oder unter null lag, sieht man ab Februar 2022 ein neues Regime mit einem 20 bis 40 Basispunkte hohen Spread-Aufschlag für Euro IG-Corporate Bonds.

Wir wollen die Frage beantworten, was der Grund für diesen Anstieg der relativen Spreads ist und wie die Aussichten dafür sind, dass Euro IG-Credits bei einer Rückkehr der Spread-Differenz auf das Ursprungsniveau USD-Credits outperformen.

Hypothese: Strukturelle Differenzen in den Indizes

Beide Indizes sind nicht identisch verteilt im Hinblick auf Laufzeiten, Ratings und Sektoren, sondern unterscheiden sich deutlich. So hat der USD IG-Index traditionell einen deutlich höheren Anteil langlaufender Bonds, während der Euro IG-Index über die Zeit einen signifikant höheren Anteil an Finanzwerten hat. Wir prüfen, ob Unterschiede in der Zusammensetzung der Indizes für die Abweichung verantwortlich sind.

Dazu berechnen wir für den USD-Index pro Monat den Spread pro Laufzeitenband (0-3 Jahre, 3-7 Jahre, 7-13 Jahre, 13+ Jahre), Ratingklasse (AAA, AA+, AA, AA-, … BBB-) und Sektor zum jeweiligen Ultimo des Monats. Wir verwenden die Gewichte des US-Index und die Gewichte des Euro-Index und multiplizieren sie jeweils mit den US-Spreads als gewichtetes Mittel der Spreads der verschiedenen Dimensionen (Laufzeiten, Ratings und Sektoren). Auf diese Weise bekommen wir einen synthetischen USD IG-Indexspread, einmal für die USD- und einmal für die EUR-Indexzusammensetzung. Die Differenz aus beiden Indizes ist unser Maß für die strukturellen Differenzen der Indizes.

Abbildung 3 zeigt neben dem EUR und USD IG-Index zusätzlich den USD IG-Index mit der gleichen Laufzeiten-, Rating- und Sektorstruktur wie der Euro-Index.

Abbildung 3: Tatsächliche und synthetische Spread-Levels
Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management GmbH

Die Abbildung konzentriert sich auf die letzten 10+ Jahre der beiden Indizes sowie unseren synthetischen Index. Das Spread-Niveau des USD IG-Index ist niedriger als das des tatsächlichen USD IG-Indizes, was darauf hindeutet, dass der USD IG-Index ein höheres Risiko als der EUR IG-Index hat und deshalb auch einen höheren Spread als der EUR IG-Index haben sollte. Ein USD IG-Index mit derselben Struktur wie der EUR IG-Index würde demnach sogar noch niedrigere Spreads haben. Für März 2024 liegt der Effekt dieser strukturellen Reduktion bei -8 Basispunkten, die mehrheitlich aus der längeren Laufzeitenstruktur stammen (-9 Basispunkte). Rating-Differenzen (-1 Basispunkt) und Sektorverteilung (+2 Basispunkte) tragen nur unwesentlich zu den Differenzen bei.

Abbildung 4 zeigt die Zusammensetzung des Spread-Effekts, der aus den strukturellen Differenzen zwischen EUR IG- und USD-IG-Index über die Zeit unterteilt nach Laufzeiten-, Rating- und Sektorbeiträgen resultiert.

Abbildung 4: Zusammensetzung des Spread-Effekts der strukturellen Differenzen zwischen EUR IG und USD IG
Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management GmbH

Im Zeitverlauf der strukturellen Unterschiede trägt die längere Laufzeitenstruktur des USD IG zu einem höheren Spread bei. Würde man die Laufzeitenstruktur des USD-Index auf die des Euro-Index anpassen, wäre das Spread-Niveau des USD-Index über die letzten Jahre zehn bis zwanzig Punkte niedriger gewesen.

Abbildung 5: Spread-Differenz zwischen USD IG-Index mit tatsächlicher und an den EUR IG-Index angepasster Struktur
Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management GmbH

Abbildung 5 zeigt, dass strukturelle Unterschiede zwischen beiden Indizes nicht der Grund für den derzeitigen Spread-Aufschlag sind. Vielmehr wäre der USD IG-Index im Spread-Niveau sogar niedriger, hätte er eine identische Struktur wie der Euro IG-Index und der Spread-Aufschlag des EUR IG-Indizes wäre sogar noch höher. Diese Differenz ist seit Q1 2022 deutlich angestiegen und hält sich auf erhöhtem Niveau.

Weitere Hypothesen zu Spread-Unterschieden 

Da eine unterschiedliche Sektor-, Laufzeiten- und Ratingstruktur die Spread-Unterschiede nicht erklären kann, untersuchen wir weitere Hypothesen, die die bestehenden Unterschiede erklären könnten. Diese sind wie folgt:

  • Unterschiedliches Wachstum USA und Eurozone: Höheres Wachstum in den USA kann der Grund für niedrigere Credit-Spreads in den USA sein, da ein höheres Wachstum mit niedrigeren Default-Raten im Markt einhergeht. Wir operationalisieren diesen Effekt mit der Differenz der jährlichen GDP-Wachstumsraten zwischen den USA und Deutschland als größter Volkswirtschaft der Eurozone.1
  • Währungsänderungen: Änderungen im EUR/USD-Wechselkurs haben Auswirkungen auf import- und exportorientierte Unternehmen in den USA und Europa und können in Summe einen systematischen Effekt haben. Wir operationalisieren diesen Effekt mit dem EUR/USD-Wechselkurs.
  • Unterschiedlicher Zinspfad in Europa und den USA: Unterschiede im Zinspfad reflektieren Unterschiede im Wachstumspotential, der Position im Konjunkturzyklus und der Inflationsrate. Diese Unterschiede beeinflussen das Gewinnpotenzial der Unternehmen und damit ihre Default-Wahrscheinlichkeit. Wir operationalisieren diesen Effekt mit der Leitzinsdifferenz zwischen den USA und Deutschland.2
  • Geopolitisches Risiko: Ob Euroschuldenkrise oder die Energiesicherheit Europas seit dem Verlust von russischem Gas seit 2022 – Europa hat geopolitische Risiken zu meistern, die die USA nicht betreffen. Dies bedeutet einen Nachteil für europäische Unternehmen und könnte höhere Spreads europäischer Unternehmen rechtfertigen. Wir operationalisieren diesen Effekt mit dem deutschen Sovereign CDS-Spread.
  • Zusätzliche Zentralbanknachfrage: Die EZB hat über lange Zeiträume Corporate Bonds am Markt gekauft, erst von Juni 2016 bis Dezember 2019, dann ab der Coronakrise bis 2023. Während die Fed rund um Corona ebenfalls kurzfristig am Markt interveniert hat, war es vor allem die EZB, die für die zusätzliche Nachfrage gesorgt hat. Wir operationalisieren diesen Effekt mit einem Dummy, der 1 ist in Monaten, in denen die EZB Corporate Bonds gekauft hat, und sonst 0 ist.
  • Zusätzliches Angebot: Das Angebot an Bonds am Markt wird durch (Netto-) Neuemissionen getrieben. Steigt das Angebot bei gleichbleibender Nachfrage, sollten Spreads steigen, um den Markt auszugleichen. Wenn es systematische Unterschiede zwischen USD- und EUR-Bonds gibt, kann dies für Spread-Unterschiede sorgen. Wir operationalisieren diesen Effekt mit dem Ratio aus der Wachstumsrate des Volumens des Bloomberg Euro IG-Index und der des Bloomberg USD IG-Index.

Wir untersuchen die Zusammenhänge in einer multivariaten Regression mittels Monatsdaten für den Zeitraum Januar 2013 bis März 2024, indem wir die oben genannten Variablen auf die um Strukturdifferenzen korrigierte Differenz zwischen EUR und USD IG-Credit-Indizes regressieren. Wir versuchen damit zu erklären, warum der Spread-Aufschlag des EUR-Index höher ist als es die strukturellen Unterschiede rechtfertigen.

Die Ergebnisse der Regressionsanalyse zeigt Tabelle 1:

Tabelle 1: Regressionsergebnisse
KoeffizientenStandard-fehlert-WertP-Wert
Intercept177.9168.51.060.293
Wachstumsdifferenz7.41.54.90**0.000
EUR/USD-Wechselkurs-9.918.4-0.540.594
Zinsdifferenz USA – GER11.32.44.73**0.000
CDS-Spread GER1.20.34.31**0.000
EZB Corporate Bond-Dummy7.13.81.88*0.062
Nettoangebot EUR/Netto-Angebot USD-187.8168.9-1.110.268
und ** signalisieren Signifikanz auf dem 10 %- und 1 %-Niveau. Das adjustierte R2 der Regression beträgt 32 %. Quelle: Quoniam Asset Management GmbH

Die Regressionsergebnisse zeigen, dass drei Variablen einen hochsignifikanten Koeffizienten aufweisen: Eine höhere Wachstumsrate in den USA im Vergleich zu Deutschland, eine höhere Zinsdifferenz zwischen den USA und Europa sowie ein höherer CDS-Spread Deutschlands führen zu einer höheren Spread-Differenz zwischen den um strukturelle Differenzen bereinigten Index-Spreads. Die anderen Variablen sind nicht oder nur marginal signifikant.

Was die wichtigsten Variablen angeht, so erklärt der CDS-Spread Deutschlands 19 Basispunkte der durchschnittlichen Differenz, während die Wachstumsdifferenz zwischen den USA und Deutschland 8 Basispunkte erklären kann. Man kann die Spread-Differenz daher als Mischung aus divergierenden Makrotrends und geopolitischen Risikoprämien interpretieren.3

Zusammenfassung

Ein Blick auf den Chart in Abbildung 1 zeigt, dass sich 2022 etwas geändert hat, das die EUR IG-Credit-Spreads deutlich über das Niveau der USD IG-Spreads getrieben hat. Diese Bewegung ist nicht durch Strukturunterschiede in den Indizes zu erklären. Unsere Analyse zeigt, dass das geopolitische Risiko Europas und die Wachstumsdifferenz zwischen den USA und Europa die wichtigsten Komponenten zur Erklärung dieser Spread-Differenz sind. Zwar bestehen beide Indizes aus globalen Emittenten, der Anteil europäischer Unternehmen am EUR IG-Credit-Markt ist aber signifikant höher als im USD IG-Index. Da der Markt in der näheren Zukunft keine Angleichung in den genannten Variablen erwartet, dürfte auch die Differenz im (um Strukturdifferenzen adjustierten) Spread-Niveau für einige Zeit bestehen bleiben. Die höheren Spreads im Euro IG-Credit-Bereich reflektieren demnach auch höhere Risiken.

  1. Wir haben uns alternativ auch den Unterschied in Einkaufsmanagerindizes angeschaut als zukunftsgerichtete Variable. Die Ergebnisse waren qualitativ ähnlich. ↩︎
  2. Alternativ haben wir die Variable mit dem Verhältnis des Dreimonats-Returns des zweijährigen generischen US-Treasury-Bonds zu seinem deutschen Pendant mit qualitativ identischen Ergebnissen approximiert. ↩︎
  3. Zusätzlich zur Analyse der Spread-Differenz haben wir auch deren Dynamik analysiert. Dazu haben wir die Veränderung der Spread-Differenz auf die Veränderungen der obigen Variablen regressiert. Wie oft bei Veränderungsraten ist das Ergebnis weniger deutlich mit einem adjustierten R2 von lediglich 10 % und Änderungen der Zins- und Wachstumsdifferenzen als einzigen signifikanten Variablen. Die Dynamik der Spread-Differenz lässt sich daher mit den Veränderungsraten der verwendeten Variablen weniger gut erklären. ↩︎
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