Marktkommentar Anleihen: Haben Credit-Events den Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken beendet?

Der Markt schwankt seit einigen Quartalen zwischen Rezessions- und Inflationssorgen. Mit der Bankenkrise im März 2023 geht die Tendenz eindeutig in Richtung Rezession. Dies zeigt sich auch an den Zinserwartungen der Marktteilnehmer. Investoren können ihr Portfolio daraufhin ausrichten.

Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Strategy

Aktuelles Makroumfeld

Das Jahr 2023 begann auf der Makroseite mit einer freundlichen Entwicklung bezüglich Inflation, Wachstum und Arbeitsmarkt. Dabei zeigten sich vor allem die USA zunächst sehr robust:

  • Die Inflationsrate in den USA fiel von 7,1% im November (veröffentlicht Mitte Dezember) auf 6,0% im Februar (veröffentlicht Mitte März).
  • In Deutschland fiel die Inflation von 8,1% im Dezember nach einem Anstieg Anfang des Jahres auf 7,4% im März.
  • Das Wirtschaftswachstum für die USA betrug im vierten Quartal 2022 annualisiert 2,6% nach 3,2% in Q3.
  • Die deutsche Wirtschaft fiel in Q4 um 0,4% im Vergleich zum Vorquartal; hier war vor allem ein Rückgang der Privatausgaben und der Investitionen der Unternehmen ausschlaggebend.
  • Die US-Arbeitslosenrate fiel zunächst weiter, stieg dann aber zum Ende des Quartals leicht an und wurde zuletzt mit 3,6% unverändert auf historisch sehr niedrigem Niveau gemessen.
  • Die deutsche Arbeitslosenquote stieg leicht auf 5,6% an, 0,6 Prozentpunkte höher als vor einem Jahr.

Insgesamt war das Makroumfeld weiter freundlich, stand aber nicht mehr im Fokus der Aufmerksamkeit.

Credit-Events: Bankenkrise

Den Fokus nahm das globale Bankensystem ein, das seine schwerste Krise seit der Finanzkrise 2008/09 durchlebte. Alles begann im März mit der Pleite der Silicon Valley Bank (SIVB). Die Bank hatte durch den letztjährigen Zinsanstieg enorme stille Lasten auf der Bilanz. Nach einem kritischen Bericht der Ratingagentur Moody’s versuchte SIVB eine Kapitalerhöhung, die aber am Markt scheiterte. Da die Bank viele Großeinlagen hatte, die nicht durch die Einlagensicherung gedeckt waren, löste diese Nachricht eine Flucht der Einleger aus, was zum Zusammenbruch der Bank führte.

Als am darauffolgenden Wochenende die Schließung einer weiteren Bank, der Signature Bank, durch die US-Aufsicht bekanntgegeben wurde, war eine neue Bankenkrise Realität. Viele kleinere und mittlere US-Banken erlebten den Abzug von Einlagen und Ratingaktionen durch die großen Ratingagenturen. So stürzte der Aktienkurs der First Republic Bank von Anfang Februar bis Ende März um mehr als 90%, während die Ratingagenturen Moody’s und S&P das Rating der Bank um jeweils 7 Stufen auf jetzt B2/B+ herabstuften.

Die Panik setzte sich auf der anderen Seite des Atlantiks bei der Schweizer Großbank Credit Suisse fort. Zwar hatte diese keinen Abschreibungsbedarf wie die US-Banken, allerdings war der Name durch zahlreiche Skandale und Strafen in den letzten Jahren angeschlagen. Als dann im Zuge der Krise das Vertrauen in die Bank verloren ging und andere Banken Transaktionen mit Credit Suisse einstellten, blieb der Schweizer Regulierung nur die Zwangsvereinigung mit der UBS unter Übernahme von Verlustgarantien und großzügiger Liquiditätslinien für die UBS.

Gegen Ende des Monats testeten Investoren am Markt dann weitere Banken, allen voran die Deutsche Bank, hier verfing der Versuch aber nicht, und es gab zum Ende des Monats eine spürbare Erholungsrallye.

Wie haben die Zentralbanken darauf reagiert?

Die Fed reagierte auf die Bankenkrise und die Pleiten von SIVB und Signature Bank auf zwei Weisen. Zum einen wurde eine unbeschränkte Garantie für Einlagen bei diesen Banken ausgesprochen. Da beide Banken viele Großeinleger hatten, die erhebliche Verluste befürchten mussten, sollte dieser Schritt das Vertrauen in die US-Banken wiederherstellen. Die Kosten dafür werden vom Bankensystem als Ganzes getragen.

Zum anderen wurde mit dem Bank Term Funding Program (BTFP) ein neues Liquiditätsinstrument ins Leben gerufen, das Banken in Liquiditätsschwierigkeiten unterstützen soll. Banken können Kredite von bis zu einem Jahr gegen Sicherheiten aufnehmen, die von der Fed zu par bewertet werden. Auf diesem Weg können Banken die Realisierung von stillen Lasten auf der Aktivseite der Bilanz vermeiden.

„Mit den Garantien begibt sich die Fed aber in eine Zwickmühle, da diese Maßnahme, so sinnvoll sie kurzfristig auch gewesen sein mag, Moral Hazard Tür und Tor öffnet.“

Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Strategy

Mit den Garantien begibt sich die Fed aber in eine Zwickmühle, da diese Maßnahme, so sinnvoll sie kurzfristig auch gewesen sein mag, Moral Hazard Tür und Tor öffnet. Riskantes Verhalten wird belohnt, da die Gewinne von der jeweiligen Bank vereinnahmt werden können, während Verluste sozialisiert werden. Als Finanzministerin Yellen versuchte, dem gegenzusteuern mit dem Hinweis, dass die Entscheidung kein Gradmesser für künftige Fälle sei, löste dies wiederum deutliche Kursverluste bei Banken aus.

Zudem hat das BTFP für ein (vorläufiges) Ende des Quantitative Tightening (QT)-Programms der Fed gesorgt. Während das Volumen der Fed-Bilanz seit April letzten Jahres rückläufig war, hat das neue Programm die Bilanzsumme der Fed in die Höhe getrieben, wie Abbildung 1 zeigt.

Abbildung 1: Bilanzsumme der Federal Reserve
Quelle: Bloomberg L.P.

Der erste Versuch der Bilanzreduktion 2019 wurde nach gut anderthalb Jahren abgebrochen, als es zu Turbulenzen im Finanzsystem kam. Beim aktuellen zweiten QT-Versuch, der zudem mit stark steigenden Zinsen einherging, dauerte es ein knappes Jahr, bis es größere Verwerfungen im Markt gab und die Fed gezwungen war, mit Liquidität entgegenzusteuern. Entsprechend stieg die Zentralbankbilanz zuletzt von 8,35 Billionen auf 8,7 Billionen USD wieder deutlich an.

In Europa ist die Schweizer Nationalbank (SNB) in die Rettung der Credit Suisse involviert, da sie der UBS eine Liquiditätslinie von bis zu 200 Milliarden CHF zur Verfügung stellt. Die Notenbank, die im letzten Jahr einen Verlust von 132 Milliarden CHF eingefahren hat, hatte Ende Dezember 2022 eine Bilanzsumme von gut 880 Milliarden CHF.

Was erwartet der Markt?

Der Markt reagierte auf die Ereignisse mit der Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden Rezession in Europa und den USA. Probleme im Finanzsektor führen oft zu strengeren Kreditstandards und geringerer Kreditvergabe an Unternehmen. Dies hat dann negative Auswirkungen auf die allgemeine Wirtschaftstätigkeit, insbesondere aber auf kleine Unternehmen.

Am deutlichsten war diese Erwartung im zweijährigen Zinsbereich zu sehen. Abbildung 2 zeigt den Zweijahreszins für Staatsanleihen aus Deutschland und den USA in Q1/2023.

Abbildung 2: Zweijährige Zinsen
Quelle: Bloomberg L.P.

Die deutschen Zweijahreszinsen fielen in der Spitze um einen vollen Prozentpunkt vom Monatshoch, während die US-Zinsen mit 1,3 Prozentpunkten in der Spitze tiefer lagen. Eine solche Bewegung der kurzfristigen Zinsen preist massive und relativ kurzfristige Zinssenkungen der Zentralbanken ein. Diese wiederum dürften nur dann zustande kommen, wenn es einen starken Konjunktureinbruch gibt.

Entsprechend veränderten sich auch die Erwartungen der Marktteilnehmer an die weitere Zentralbankpolitik. Während bis zum Ausbruch der Bankenkrise Anfang März kontinuierlich stärkere Zinssteigerungen eingepreist wurden, wurde diese Erwartung mit der einsetzenden Krise deutlich zurückgenommen, wie Abbildung 3 zeigt.

Abbildung 3: Implizite Geldmarktsätze
Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management

Während der Markt Anfang März noch erwartete, dass die US-Leitzinsen bis Juni um drei Schritte auf 5,75% klettern und dort bis Jahresende bleiben, wird jetzt nur noch ein Schritt auf 5,25% erwartet, während die Zinsen danach bis Jahresende um 75 Basispunkte auf 4,5% fallen sollen. Und während davor bis Juni 2024 bereits drei Zinsschritte nach unten auf 5% eingepreist waren, erwartet der Markt diese weiterhin von niedrigerem Ausgangniveau ausgehend. So wird aktuell im Juni 2024 ein Leitzins von ca. 3,75% und im Dezember 2024 von 3,5% erwartet.

Diese Erwartungen reflektieren also sieben Zinsschritte nach unten zwischen Sommer 2023 und Winter 2024. Man kann klar erkennen, dass Marktteilnehmer befürchten, dass sich die Probleme im Bankensektor in eine erhebliche Konjunkturabschwächung ausweiten. Dies geht mit einem Rückgang der Inflationserwartungen einher. Die zweijährige Breakeven-Inflationsrate, ein Indikator für die kurzfristigen Inflationserwartungen fiel zum Monatsende wieder auf 2,7% zurück, nachdem er in diesem Jahr bis Anfang März auf 3,4% geklettert war.

Creditspreads

Interessant war auch die Bewegung der Creditspreads im März, die nicht nur ihre positive Entwicklung der ersten beiden Monate abgaben, sondern auch anzeigten, welche Sektoren der Markt als die kritischsten ansieht.

Abbildung 4: Creditspreadänderungen
Panel A: USD IG Credit
Panel B: EUR IG Credit; Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management

Im USD IG-Bereich stiegen die Spreads im März am stärksten im Immobilien- (+52 bp) und Bankenbereich (+40 bis +45 bp). Diese Sektoren sind damit seit Jahresbeginn deutlich weiter als zu Jahresbeginn. In Euro hingegen hielten sich Banken deutlich besser (+25 bp), während der Immobiliensektor (+72 bp) stärker underperformte als andere Sektoren. Seit Jahresbeginn sind die Spreads dieser Sektoren aufgrund der starken Rallye in den ersten beiden Monaten 2023 allerdings weniger gestiegen als in USD.

Die Underperformance des Immobiliensektors zeigt, dass der Markt diesen Bereich als eines der möglichen Epizentren der kommenden Rezession sieht. Nach vielen Jahren mit Preisanstiegen und wachsenden Kreditvolumina drücken die stark gestiegenen Zinsen und eine potenziell striktere Kreditvergabe der Banken auf die Nachfrage und die Stimmung in diesem Sektor.

Ausblick

Die Fed hat innerhalb eines Jahres die Zinsen von 0% auf 5% angehoben. Wie viele Projekte in Unternehmen, wie viele Unternehmen selbst, die bei einem Zinsniveau von 0% profitabel waren, sind es jetzt auf dem aktuellen Niveau? Niemand kennt die Antwort auf diese Frage, aber die Ereignisse im US-Bankensystem im März haben gezeigt, wie schnell Probleme zu Tage treten können. Eine Rezession bleibt das wahrscheinlichste Szenario.

Der Markt hat ein Zinsszenario eingepreist, das spürbare Zinssenkungen erwartet. Im Falle einer starken Rezession sind allerdings deutlich stärkere Zinssenkungen in den USA vorstellbar. Sollte eine Rezession aber noch auf sich warten lassen und die Inflation vorerst hoch bleiben, ist ebenso das umgekehrte Szenario vorstellbar, dass Zinssenkungen vorübergehend wieder ausgepreist werden. In jedem Fall ist weiter von heftigen Schwankungen am Zinsmarkt auszugehen.

Die Marktbewegung im März hat gezeigt, wo der Markt Krisenherde im aktuellen Wirtschaftsumfeld sieht. Neben Banken und Finanzdienstleistern vor allem in den USA steht der Immobilienmarkt im Zentrum der Sorgen. Eine vorübergehende Beruhigung können Marktteilnehmer daher nutzen, um ihre Portfolios für unruhigere Zeiten wetterfest zu machen, indem sie sich von Namen trennen, die in einem rezessiven Umfeld deutlich underperformen dürften, und Risikospitzen abbauen. Wer weiß, wie viele solcher Möglichkeiten sich noch bieten werden?

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